Auf eigenen Wunsch: Pflegekräfte arbeiten zwölf Stunden am Stück

Erfolgreiches Pilotprojekt am St. Rochus Krankenhaus in Steinheim

Das St. Rochus Krankenhaus in Steinheim etabliert ein neues Arbeitszeitenmodell. Auf zwei Stationen der Klinik für Geriatrie arbeiten die Pflegekräfte auf eigenen Wunsch künftig zwölf Stunden am Stück.

13.12.2023

Steinheim. Zwölf Stunden am Stück in der Pflege arbeiten: Was für viele Menschen unvorstellbar erscheint, haben sich die Pflegekräfte am St. Rochus Krankenhaus der KHWE gewünscht. Ein halbes Jahr lang ist das Pilotprojekt auf Herz und Nieren geprüft worden. Nun soll das neue Arbeitszeitenmodell fest etabliert werden – und es bietet gleichermaßen Vorteile für Mitarbeiter und Patienten.

Während bis zum Beginn des Pilotprojekts im Juni dieses Jahres acht Stunden arbeiten und das häufig bis zu zwölf Tage am Stück zum Arbeitsalltag in der Pflege gehörten, soll dieses Arbeitszeitenmodell künftig mit dem Angebot einer Zwölf-Stunden-Schicht ergänzt werden. „Wer sich für das neue Arbeitszeitenmodell entscheidet, hat andere Schichtzeiten und arbeitet künftig zwar zwölf Stunden am Stück, aber das nie länger als drei Tage hintereinander. Anschließend gibt es eine Ruhephase von mindestens 42 Stunden“, sagt Denise Becker, Teamleitung Pflege am St. Rochus Krankenhaus in Steinheim. Statt zwei Wochenenddienste im Monat, sind es künftig nur noch anderthalb. Überstunden fallen mit dem neuen Modell kaum noch an. Die Arbeitszeit bei einer Vollzeitstelle umfasst im Durchschnitt 14 Arbeitstage, maximal acht Dienste in 14 Tagen, und einen Bereitschaftsdienst.

Lösungen für verbesserte Arbeitszeiten

„12 Stunden? Ihr seid doch verrückt“ – Denise Becker und ihr Team erinnern sich nur zu gut an die ersten Reaktionen von Kollegen, Freunden oder Familie, als sie ihnen von dem neuen möglichen Arbeitszeitenmodell für das Krankenhaus in Steinheim berichteten. Schon mit Beginn der Corona-Pandemie suchte das Team in der Geriatrie händeringend nach Lösungen für verbesserte Arbeitszeiten auf den Stationen. „Ausfälle und Krankheitsvertretungen haben die Situationen auf den Stationen belastet“, erinnert sich Denise Becker, „aber auch die Ansprüche der Patienten und der Angehörigen stiegen. Selbst junge Kollegen konnten den Druck nicht aushalten und verließen bereits nach ein paar Jahren die Pflege.“ So konnte und sollte es nicht weitergehen, betont sie.

50 Prozent für das Pilotprojekt

Nach langen Überlegungen kommt dem Team die zündende Idee: 12 Stunden arbeiten am Stück und flexible, reduzierte Wochenenden. Die Pflegedirektion wurde involviert und weitere Kollegen angesprochen, ob sie sich ihren Job nach dem neuen Modell vorstellen können. „In Zusammenarbeit mit der Chefärztin, dem Therapiezentrum und dem Sozialdienst haben wir den Dienstalltag umstrukturiert. Knapp die Hälfte der Mitarbeiter in der Pflege haben sich direkt für das Pilotprojekt entschieden“, sagt Teamleitung Denise Becker. Nachdem Pflegedirektor Christian Bargatzky von dem Plan überzeugt war, wurden innerhalb weniger Tage erste Dienstpläne geschrieben und verschiedene Arbeitszeiten besprochen. Auf 7 Uhr Dienstbeginn wurde sich schnell geeinigt. Auch die Mitarbeitervertretung gab schließlich grünes Licht.

Eine zwölf-Stunden-Schicht bedeutet eine Arbeitszeit von 10,75 Stunden. Denise Becker: „Dem Mitarbeiter stehen 1,25 Stunden Pause zu. Diese kann am Stück genommen werden, muss aber nicht.“ Einige Kollegen machen eine verlängerte Mittagspause und fahren kurz nach Hause, andere wiederum teilen sich die Pausen unterschiedlich ein. „Bei der Erstellung des neuen Dienstplans war uns vor allem die Pause am Vormittag mit den Kollegen aus der 8-Stunden-Schicht wichtig, um weiterhin gemeinsamen frühstücken zu können und sich so nicht aus den Augen zu verlieren“, so Denise Becker. Denn Gemeinschaft wird hier großgeschrieben.

 

Das neue Arbeitszeitenmodell bietet auch für Patienten viele Vorteile, betont auch die 90-jährige Waltraud Echterdiek. Pflegefachkraft Jasmin Bilstein und Auszubildende Greta Gockeln stehen ihr als fester Ansprechpartner zur Seite.

Mitarbeiter können frei wählen

Trotz der vielen Vorteile, die das neue Arbeitszeitenmodell bietet, soll es weiterhin ein freiwilliges Angebot bleiben. „Bisher hat sich die Hälfte der Mitarbeiter dafür entschieden, die anderen bevorzugen weiterhin das gewohnte 7-Stunden-Modell und das ist auch in Ordnung“, sagt Pflegedirektor Christian Bargatzky und betont: „Es ist alles freiwillig, niemand wird gezwungen. Wir haben Mitarbeiter, die sich erst nach und nach für das neue Modell entscheiden. Es ist für uns alle ein Abenteuer, aber das neue Arbeitszeitenmodell hat Erfolg und kommt bei unseren Mitarbeitern sehr gut an.“

Trotzdem ist dieses Modell nicht der Weisheit letzter Schluss für den bundesweiten Fachkräftemangel in der Pflege. „Wir brauchen flexible Arbeitszeitenmodelle und die 12-Stunden-Schicht ist ein Baustein davon“, sagt KHWE-Geschäftsführer Christian Jostes, der die Einführung des neuen Arbeitszeitenmodells innerhalb der KHWE begrüßt. Dennoch sei es nicht unbedingt für jeden Mitarbeiter das richtige Modell. „Für den einen macht es den Job attraktiver, für den anderen ist es ein KO-Kriterium, überhaupt in der Pflege zu arbeiten. Die Mischung macht’s“, ergänzt Jostes.

Das Modell soll zunächst am Standort Steinheim weiterhin erprobt werden, bevor über eine Ausweitung innerhalb des KHWE-Verbunds gesprochen wird. „Das St. Rochus Krankenhaus eignet sich für die Erprobung besonders gut, da wir hier fünf Stationen der gleichen Fachabteilung haben, von der nur zwei Stationen das Projekt umsetzen. Somit können wir besser vergleichen“, so der Pflegedirektor. Darüber hinaus wird der Betrieb im Vergleich zu beispielsweise Bad Driburg oder Höxter nicht durch Notfälle gestört.

Vorteile für Patienten

Auch für die Patienten bietet das neue Arbeitszeitenmodell viele Vorteile. „Die Patienten haben am Tag einen festen Ansprechpartner aus der Pflege“, sagt Elena Breker (stellvertretende Teamleitung) und betont, dass dieses Modell für beide Seiten eine „Win-win-Situation“ darstellt. Mit den neuen Arbeitszeiten können die Patienten morgens entspannter in den Tag starten, müssen nicht „Punkt um“ duschen oder frühstücken. Breker: „Wir können besser auf die individuellen Bedürfnisse unserer geriatrischen Patienten eingehen.“

 

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