Wenn die Seele durch 
den Körper spricht

Ein Interview mit Chefarzt der Klinik für Psychosomatik am St. Vincenz Hospital

Brakel. Eine schlechte Nachricht kann uns auf den Magen schlagen oder buchstäblich die Sprache verschlagen. Wir zerbrechen uns den Kopf, um Probleme zu lösen und es zerreißt uns das Herz, Kummer und Leid ertragen zu müssen. Der Volksmund kennt viele Beispiele, mit denen emotionale Belastungen beschrieben werden. Die psychosomatische Medizin untersucht und behandelt Erkrankungen, für deren Entstehung und Aufrechterhaltung diese biopsychosozialen Wechselwirkungen wichtig sind. Dr. Eberhard Beetz, Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am St. Vincenz Hospital in Brakel, erklärt, wieso Körper und Geist eng zusammengehören.

Herr Dr. Beetz, Sie sagen, die Psyche hat einen starken Einfluss auf körperliche Symptome. Jede Krankheit hat mal mehr Behandlungsbedarf auf der Körperebene, mal mehr auf der Ebene der Psyche. Was würde ein Chirurg dazu sagen?

Unsere Medizin unterscheidet nach Krankheiten der Organe und nach Krankheiten der Psyche, was einer traditionellen Einteilung entspricht. Eigentlich sind diese beiden Ebenen aber sehr stark miteinander verwoben. Alle Leidenszustände, egal ob psychisch oder physisch, betreffen beide Bereiche, es gibt sehr enge Zusammenhänge. Chronischer Stress kann unserem Körper schaden. Eine schwere körperliche Erkrankung kann chronischen Stress bewirken. Ein Chirurg weiß beispielsweise, dass bei stark stressbelasteten Patienten mehr Wundheilungsstörungen auftreten.

Wer wegen einer Blinddarmentzündung unter Stress leidet, würde ja aber nicht in eine psychosomatische Klinik geschickt werden… Sicherlich nicht. In der Regel verursacht eine Blinddarmentzündung auch keinen chronischen Stress. Das ist bei langandauernden, schweren Erkrankungen anders. Sie können zu behandlungsbedürftigen Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder Angststörungen führen.

Sicherlich nicht. In der Regel verursacht eine Blinddarmentzündung auch keinen chronischen Stress. Das ist bei langandauernden, schweren Erkrankungen anders. Sie können zu behandlungsbedürftigen Erkrankungen wie z.B. Depressionen oder Angststörungen führen.

Seelische und soziale Belastungen, Konflikte und Lebenskrisen können also körperliche Beschwerden auslösen. Sie sind also keine Einbildung?

Definitiv nicht. Diese körperlichen Beschwerden beruhen auf heute zu einem großen Teil bekannten physiologischen Vorgängen und sind auch messbar. Wie Sie sagen, kann chronischer Stress aus unterschiedlichsten Quellen kommen. Er kann aus Persönlichkeitseigenschaften wie Perfektionismus oder leicht verletzbarem Selbstwertgefühl stammen, ebenso aber auch aus Traumata oder sozialen Belastungen am Arbeitsplatz oder im Privatleben herrühren.

Wie äußern sich die psychosomatischen Körperstörungen?

Sie können fast alle Organe betreffen und sehr unterschiedliche Symptome verursachen. Typische und häufig vorkommende Symptome sind chronische Schmerzen in verschiedenen Körperregionen wie zum Beispiel Kopf-, Gelenk-, Muskel- und Bauchschmerzen. Chronischer Stress kann Auswirkungen haben auf den Magen und den Darm, auf das Entzündungssystem des Körpers, auf das Gehör oder das Herz, um nur einige Beispiele zu nennen.

In der Regel gehen die Betroffenen zu ihrem Hausarzt, der in diesen Fällen dann oft keinen krankhaften Befund erheben kann. Wie gehen Arzt und Patient mit dieser Situation um?

Der Hausarzt hat oft ein Gespür dafür, ob sein Patient, den er nicht selten seit Jahren kennt, möglicherweise wegen Stressbelastung mit körperlichen Problemen zu kämpfen hat. Es gibt heute gut erforschte Vorgehensweisen, wie der Hausarzt seinen Patienten dann unterstützen kann. In vielen Fällen kann diese Unterstützung ausreichend sein. Eine wichtige Aufgabe besteht z.B. darin, unnötige und oft wiederholt vorgenommene Untersuchungen zu verhindern, da sie die Chronifizierung der Symptomatik befördern. Auch kann der Hausarzt den Teufelskreis der Angst, die durch intensive Beobachtung des Körpers entsteht, durch Erklärung durchbrechen. In schweren Fällen kann die Zuweisung zum Psychosomatiker erforderlich sein. Auch hier kommt dem Hausarzt die wichtige Rolle eines Vermittlers zu.

Herr Dr. Beetz, machen wir doch noch einen kurzen Schlenker zu Corona. Führt die Pandemie selbst bei Gesunden zu einer erheblichen Stressbelastung?

Wir behandelten in unserer Klinik immer wieder Patienten, die bis zur Corona-Pandemie ein gesundes Leben führen konnten. Die Pandemie und deren Bewältigung sorgte aber dafür, dass sie in unterschiedlicher Weise mit Einsamkeit konfrontiert wurden, die ihre Bewältigungsstrategien überforderte und sie erkrankten. Hier ist ebenso der junge Mensch zu nennen, der über lange Zeit sein Studium nur online absolvieren konnte, wie auch der alte Mensch, dessen Partner in der Quarantäne eines Krankenhauses oder Seniorenhauses verstarb.

Infos zu Dr. Eberhard Beetz:

Chefarzt der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

  • Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
  • Facharzt für Innere Medizin
  • Psychosomatische Schmerztherapie (DGPM/IGPS)
  • Psychoonkologie (DGPM/DKG)
  • Supervisor für Psychodynamische Psychotherapie (IPOM)

Infos für die Terminvereinbarung:

Vor der Behandlung bietet die Klinik den Patienten ein ausführliches diagnostisches Gespräch an. Weitere Informationen und Terminvereinbarung unter Tel. 05272 - 607 4101 oder per E-Mail an psychosomatik.khv@khwe.de.

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